Die Sonderstellung, die der Codex Egerton innerhalb der Gruppe der mixtekischen Handschriften einnimmt, liegt auch in seiner Entstehungszeit begründet.
In der ersten Hälfte des 16. Jh.s, als die Konquistadoren die Gebiete Mittelamerikas für die spanische Krone eroberten, kam es dort zu einem Aufeinanderprallen zweier Hochkulturen. In dieser Phase entstand der Codex Egerton, bei dem sich so unterschiedliche Traditionen wie die altamerikanische und die europäische zu einer neuen, einzigartigen Form zusammenfanden. Im formal-inhaltlichen Bereich überwiegt die einheimische Überlieferung, indem an der Tradition der Geschichtsschreibung in Form von Genealogien (wobei hier im Aufbau die Betonung auf der weiblichen Linie liegt) festgehalten wird.
In stilistischer Hinsicht wird jedoch in der Vergrößerung der Figuren und ihrer freien Verteilung auf der Bildfläche, im deutlichen Abrücken von der formalen Konzentration der vorkolumbischen Handschriften der europäische Einfluss wirksam.