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Bücher zum Wünschen und Schenken

Das Turnierbuch für René d´Anjou

Nordfrankreich, um 1446
Bibliografische Angaben
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Keine andere Ausdrucksform spiegelt das Rittertum und seine Kultur so verlässlich wider wie das Turnier. Im streng ritualisierten Kampf Mann gegen Mann fanden die Ritter die idealen Bedingungen zur Demonstration all jener Tugenden, die ihrem Leben Sinn und Inhalt gaben. Damit war das Turnier weit mehr als ein sportlicher Wettbewerb. Es war die idealisierende Selbstdarstellung und zugleich Selbstbestätigung einer Gesellschaftsgruppe, die über Jahrhunderte hinweg zu den prägenden Kräften des Morgen- wie auch des Abendlandes gehörte.
Bei der Ausrichtung der prächtigen Ritterspiele kam den großen Fürstenhöfen entscheidende Bedeutung zu. Nur sie konnten sich den damit verbundenen finanziellen Aufwand leisten, nur hier wurden den Kämpfern ein sachkundiges, anspornendes Publikum und – neben Anerkennung und Ruhm für den Sieg – auch die Teilhabe am höfischen Glanz geboten.
 

René d’Anjou: Politiker, Mäzen, Dichter

Zu den großzügigsten Turnierherren seiner Zeit zählte René d’Anjou. Er war nicht nur ein ehrgeiziger Fürst, der in der französischen und italienischen Politik des 15. Jh.s eine eindrucksvolle Rolle spielte. Er war auch ein feinsinniger Mäzen der schönen Künste, und er versuchte sich selbst in der Dichtung. Darüber hinaus verstand es René aber auch, glanzvolle Feste zu geben. Die von ihm ausgerichteten Turniere waren im ganzen Land berühmt und wurden von den Dichtern besungen.
 

Die Handschrift in St. Petersburg:
ein Buch von unschätzbarem dokumentarischem Wert

Die wahrscheinlich vom Turnierherrn in Auftrag gegebene, von einem anonymen Autor verfasste Handschrift vermittelt ein eindrucksvolles Bild jenes großen Turniers, zu dem der Herzog von Anjou im Sommer 1446 die Elite des französischen Hochadels auf sein an der Loire gelegenes Schloss bei Saumur zusammengerufen hatte. Mehr als 90 Ritter waren dieser Einladung gefolgt, um an den Festlichkeiten teilzunehmen und im Kampf ihre Bravour und Tapferkeit unter Beweis zu stellen. Der in 3952 Versen abgefasste Text enthält neben detailreichen Beschreibungen der phantasievollen Bekleidung und der kostbaren Waffen der Akteure auch Aussagen über die tiefere Bedeutung eines Turniers für die zeitgenössische Rittergesellschaft und Hinweise auf den Verhaltens- und Ehrencodex, dem sich jeder Teilnehmer unterwerfen musste. Der Text macht deutlich, dass alles an diesem Turnier Inszenierung war: Die Teilnehmer verkörperten Rollen in einem Spiel, das nach einem streng vorgegebenen höfisch-erotischen Zeremoniell ablief und in dem das Thema Liebe sowohl Anlass als auch treibende Kraft war.
 

Phantastische Illustrationen

90 farbenprächtig aquarellierte Federzeichnungen, die die entscheidenden Abschnitte des ritterlichen Kampfspieles illustrieren, setzen die poetischen Sprachbilder des Textes in eine ausdrucksstarke Bildsprache um. Der feierliche Einzug der Turnierteilnehmer, die Wahl des Gegners durch Berühren seines an einem Wappenbaum hängenden Schildes mit dem Speer; das Aufrufen der Kontrahenten zum Kampf; der Zweikampf der schwer gerüsteten Reiter und die Ehrung der Sieger – das sind die Motive, die der Miniator meisterhaft komponierte.
Mit ihrem eindeutigen Bezug auf das Turnier von Saumur stellt diese Handschrift eines jener seltenen Dokumente dar, in denen ein Ritterspiel als realhistorisches Ereignis vorgeführt wird. Darin liegt ihr unschätzbarer Wert als Quelle für die höfische Kultur des Mittelalters.

 

Der verschlungene Weg der Handschrift nach St. Petersburg

Der Verbleib des Codex in den ersten zwei Jahrhunderten nach seiner Entstehung ist bis heute nicht geklärt. Erst im 17. Jahrhundert lässt sich die Handschrift in der Bibliothek des französischen Kanzlers Pierre Seguier erstmals nachweisen.
Danach gelangte sie in den Besitz seiner Exzellenz Henry Cambout de Coislin, des Bischofs von Metz, der sie – einer Eintragung auf der Widmungsseite zufolge – 1732 in einer testamentarischen Verfügung der Bibliothek der Abtei Saint-Germain-des-Près vermachte.
Von dort konnte im Jahre 1794 der russische Botschaftsangehörige Peter Dubrowsky den Codex für seine Sammlung erwerben. Dubrowsky kehrte 1805 in seine Heimat zurück. Mit zahlreichen anderen kostbaren Büchern gelangte auch das „Turnierbuch für René d’Anjou“ nach St. Petersburg. Seit damals galt die Handschrift als verschollen, ja bereits als verloren, bis sie im Jahre 1913 in der Bibliothek des Zaren aufgefunden wurde. Damit ist nicht nur die einzige erhaltene Beschreibung des berühmten „Pas du Perron“, sondern zugleich eine der wertvollsten Primärquellen für die Kenntnis der mittelalterlichen Ritterspiele wiederentdeckt worden.
 

Der Kommentar

Der in deutscher und französischer Sprache verfasste Kommentar wurde von einem Team von Wissenschaftlern der Russischen Nationalbibliothek erarbeitet und enthält neben Beiträgen zu Geschichte, Aufbau und künstlerischer Bedeutung der Handschrift auch eine vollständige Transkription des altfranzösischen Originaltextes.