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Das Goslarer Evangeliar

Goslar, um 1240
Bibliografische Angaben
Auf Anfrage

Erhältlich als Band 1 der Reihe Glanzlichter der Buchkunst
Dokumentation erhältlich

Schon in frühchristlicher Zeit hatte sich mit dem Zusammenfassen der Evangelientexte die Tradition des Evangeliars ausgebildet, die in den Handschriften des 9. bis 13. Jh.s ihren Höhepunkt erreichen sollte. Unter allen Texten des Alten und Neuen Testaments wurde den vier Evangelien der höchste Stellenwert beigemessen: das Hören und Lesen dieser „Frohen Botschaft“ bildete einen zentralen Bestandteil der christlichen Liturgie. Dieser Bedeutung entsprechend erlesen war auch die Ausstattung der Evangeliare.

Mit dem Goslarer Evangeliar ist uns eine der größten Kostbarkeiten dieses Buchtypus erhalten geblieben. Seine Entstehung fällt in eine Phase des künstlerischen Umbruchs: Der romanische Stil hatte sich erschöpft, neue geistige und formale Strömungen kamen aus Frankreich (wo der entscheidende Schritt zur Gotik bereits vollzogen war) und vor allem aus dem Mittelmeerraum (wo sich, bedingt durch den regen Handel mit Konstantinopel, der das 13.  Jh. beherrschende byzantinisierende Stil bereits etabliert hatte). Inmitten dieses Stilpluralismus, der den Künstlern ein ungemein reichhaltiges Repertoire an formalen Lösungen an die Hand gab, wurde in Goslar eine Handschrift ausgestattet, in der sich, wie in kaum einer zweiten, einzelne Elemente der unterschiedlichen Stilrichtungen zu einer neuen, großartigen Einheit zusammenfinden. Auf diesem künstlerischen Niveau erreicht der Eklektizismus bereits die Bedeutung eines eigenen Stils.

Der Aufbau des Codex entspricht der gängigen Tradition des Evangeliars. An den Prolog mit Briefen und Vorreden des hl. Hieronymus (u.a. mit einer Charakterisierung der Evangelien und einer Erklärung der Evangelistensymbole) und einem Brief des hl. Eusebius (der die Entstehung der Evangelienkonkordanz zum Inhalt hat) schließen die Evangelientexte an, die jeweils von einem Inhaltsverzeichnis (Capitula) und einem Prolog (Argumentum) eingeleitet werden. Dieser Abfolge von Texten und deren innerem Aufbau folgt auch das Ausstattungsschema des Goslarer Evangeliars.
Gleichsam als Einstimmung auf den folgenden Text ist jedem Evangelium eine prachtvolle Doppelseite vorangestellt. Einer Initialseite, die mit kleinen eingefügten Episoden belebt wird, liegt jeweils eine Miniaturseite gegenüber, deren Rahmen zwei oder mehr szenische Bilder umspannt. Lukas, dem von allen Evangelisten die größte historische Glaubwürdigkeit zugestanden wird, erhielt zusätzlich noch eine weitere Initial- und Bildseite.

Wie schon der Prologteil, so steht auch der Bildschmuck inhaltlich in enger Beziehung zu den vier Evangelien. Durch eine phantasievolle und formenreiche Initialornamentik erhalten auch die „reinen“ Textseiten der Evangelien einen besonderen Reiz. Je nach ihrer Funktion werden die Initialen verschiedenartig ausgeschmückt. So finden sich Initialen mit farbigen Ranken und kleinen eingearbeiteten Drôlerien auf Goldgrund, fein konturierte, farbig grundierte Initialen aus Goldranken und Goldbuchstaben mit feinen Linienschnörkeln. Allen gemeinsam ist eine präzise und feine Zeichnung.
Von ganz großer Seltenheit ist auch die Tatsache, dass das Goslarer Evangeliar seinen ursprünglichen Einband bis heute erhalten hat. Dieser wird im Kommentarband ausführlich dokumentiert.
Als einer der letzten Zeugen dieses Buchtypus (in der 2. Hälfte des 13. Jh.s wurde das Evangeliar vom Perikopenbuch, dem Lektionar und dem Missale abgelöst) gilt das Goslarer Evangeliar als Musterbeispiel der staufischen Kunst an der Wende zu einem neuen Stil.