Die nach ihrem ehemaligen Besitzer Konrad Peutinger benannte Karte ist als kulturhistorisches Dokument von größter Bedeutung, da sie das einzige erhaltene Zeugnis einer antiken römischen Weltkarte darstellt. Es handelt sich dabei jedoch nicht um ein geographisches Anschauungsmaterial, sondern um eine graphische Darstellung der wichtigsten Straßen und großen Verbindungslinien, die das Römische Reich durchzogen haben.
Die Handschrift besteht aus elf Pergamentblättern, die ursprünglich an den Rändern zusammengeklebt waren und so eine Rolle gebildet hatten. Diese Rolle war 6,75 m lang und nicht ganz 34 cm breit. In ihrem Inhalt umfasst die Tabula Peutingeriana das Straßennetz der gesamten damals bekannten Welt, und zwar, wenn man den verlorenen ersten Abschnitt hinzunimmt, von Spanien, England, Frankreich beginnend über den europäischen Raum südlich der Donau bis Nordafrika, den Nahen und Mittleren Osten und schließlich bis nach Vorderindien und Ceylon.
Die Vorlage der Tabula Peutingeriana war eine antike Weltkarte, deren Ursprünge in das 4. Jh. zurückgehen. Nach diesem römischen Original wurde im 12. oder 13. Jh. von einem Mönch in Süddeutschland, vielleicht im Kloster Reichenau, eine Kopie angefertigt, die heute unschätzbaren Wert hat, zumal uns aus der Antike nichts Ähnliches erhalten ist. Nachdem sie ihren Besitzer mehrmals gewechselt hatte, gelangte sie schließlich in den Besitz des Prinzen Eugen und wanderte mit dessen wertvoller Bibliothek in den Bestand der Österreichischen Nationalbibliothek, wo sie auch heute noch als Prunkstück verwahrt wird.
Die Tabula Peutingeriana stellt die wichtigsten Reisewege des Imperium Romanum dar und diente den Reisenden und Kaufleuten als Überblick über die Staatsstraßen und Reiserouten, vor allem jedoch den staatlichen Funktionären vom einfachen Soldaten bis zum Provinzstatthalter und Heerführer, die im offiziellen Auftrag unterwegs waren. Sie war somit eine Karte für den praktischen Gebrauch, in der nicht nur die Orte mit den Entfernungsangaben eingezeichnet waren, sondern auch Herbergen und Unterkünfte.
Von besonderer Bedeutung ist die nähere Kennzeichnung von zahlreichen Orten (insgesamt 555) mit sogenannten Vignetten, angefangen vom Doppelturm und den Thermen über Tempel, Hafenanlagen, Leuchttürme und sogar einen Straßentunnel bis zur Personifikation der jeweiligen Stadtgottheit für die drei bedeutendsten Städte Rom, Konstantinopel und Antiochia.
Diese Vignetten spiegeln nicht den Charakter des Ortes wider, sondern sie sollen die Größe und Ausstattung der Unterkünfte kennzeichnen. Gerade dies entspricht völlig dem Zweck dieser Karte, die eine Art Reisehandbuch sein will und als solches nicht nur Straßenverbindungen und Entfernungen darstellen, sondern auch einen Überblick über die an den einzelnen Stationen zu erwartenden Bequemlichkeiten geben soll – genauso wie auch heute in einem Reisehandbuch die Art der Unterkünfte und Hotels durch Sternchen oder sonstige Zeichen kenntlich gemacht wird.
Inmitten eines Kreisringes, von dem strahlenförmig die großen Straßen Italiens ausgehen und durch den das Bild des ewigen Rom von allen übrigen Städten abgehoben werden soll, sitzt auf einem erhöhten Thron die Stadtgöttin Roma, mit der Weltkugel (Reichsapfel) und einem Szepter in den Händen und einer Krone auf dem Haupt. Dabei handelt es sich um die Umstilisierung der heidnischen Dea-Roma-Figur in die eines mittelalterlichen römisch-deutschen Kaisers. Der mittelalterliche Kopist hat offensichtlich die weiblichen Attribute weggelassen (wobei allerdings noch Andeutungen einer rechten Brust zu erkennen sind) und den Helm der Dea Roma durch eine Kaiserkrone ersetzt.
Ein wertvoller wissenschaftlicher Kommentar von Ekkehard Weber erläutert den Inhalt der Karte, ihre ursprüngliche Beschaffenheit sowie die Geschichte ihrer Entdeckung und Erforschung. Ein ausführliches Literaturverzeichnis und ein vollständiges Register der Orte und Stationen erschließt diese hervorragende Ausgabe für den Fachmann wie für den Liebhaber.