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Das Perikopenbuch von St. Peter

Bibliografische Angaben
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55 farbige Miniaturen auf Goldgrund – und damit das reichste Bildprogramm einer hochmittelalterlichen Evangelienhandschrift – sowie 81 zum Großteil figürliche Goldinitialen mit bunten Blüten und Ranken, das ist der buchkünstlerische Steckbrief des um die Mitte des 12. Jahrhunderts entstandenen Perikopenbuchs von St. Peter, das unter der Signatur Clm 15903 in der Bayerischen Staatsbibliothek in München aufbewahrt wird.

Seinen in der wissenschaftlichen Literatur bekannten Namen „Perikopenbuch von St. Erentrud“ verdankt der Codex dem Benediktinerinnenkloster auf dem Salzburger Nonnberg. Eine Notiz aus dem späten 13. oder frühen 14. Jahrhundert auf fol. 104v der Handschrift belegt, dass der Codex spätestens ab diesem Zeitpunkt zum Klosterbestand gehörte. Und doch ist St. Erentrud weder der Entstehungs- noch der Bestimmungsort des Perikopenbuchs. Unbestritten ist die Salzburger Provenienz der Handschrift. Dafür sprechen zum einen inhaltliche Gründe, wie die mehrfache Hervorhebung des heiligen Rupert, der nicht nur das Bistum Salzburg gegründet und als erster Bischof geleitet hatte, sondern auch als Gründer der Benediktinerstifte St. Peter und St. Erentrud verehrt wird. Zum anderen ist es die enge künstlerische Verwandtschaft mit zweifelsfrei in Salzburg entstandenen Codices, die die Herkunft des Perikopenbuchs aus einem heimischen Skriptorium nahelegt. Unter den drei in der Mitte des 12. Jahrhunderts in Salzburg aktiven Schreibstuben (dem Domskriptorium, dem Skriptorium der Petersfrauen und jenem von St. Peter) kommt aus stilistischen, ikonographischen und inhaltlichen Gründen nur eines für die Entstehung des Perikopenbuches in Frage – das Skriptorium von St. Peter.

"EUANGELION" – DIE FROHE BOTSCHAFT IN WORT UND BILD

Perikopenbücher (=Evangelistare) enthalten jene Abschnitte (Perikopen) aus den Evangelien, die als Lesungen für die einzelnen Sonn- und Feiertage des Kirchenjahres ausgewählt wurden. Von den 71 Perikopen unserer Handschrift werden nicht weniger als 55 von Miniaturen eingeleitet. Ihre Funktion beschränkt sich nicht darauf, das im Text Referierte zu illustrieren, also mit visuellen Mitteln ein zweites Mal zu wiederholen. Vielmehr wird der Erzählhorizont mithilfe ikonographischer Mittel zusätzlich erweitert und interpretiert. Als Beispiel hierfür mag die Miniatur „Jesus unter den Schriftgelehrten“ dienen, in der der 12-jährige Knabe als erwachsener, bärtiger Mann dargestellt wird. Mit diesem Kunstgriff wird das Kontinuum der Zeit überwunden und auf die spätere Rolle Christi als Messias vorausgewiesen. Solch überraschende Bildlösungen ziehen sich durch die ganze Handschrift. Sie stehen im Dienste des inhaltlichen Gesamtkonzeptes, in dem Christus als Gesalbter, als Heilsbringer – als Messias – präsentiert wird.

EIN BUCH IN GOLD UND SILBER

Auf den 106 Folios des Perikopenbuches von St. Peter breitet sich vor dem Betrachter ein Bild- und Dekorationsprogramm aus, das sowohl quantitativ als auch qualitativ seinesgleichen sucht. Von den Miniaturen, die den Lesungen zum Weihnachts- und Osterkreis, zu den Heilungs- und den Erweckungswundern Christi,den Marien- und Heiligenfesten sowie dem Fest der Kreuzauffindung und -verehrung vorangestellt sind, ist weit mehr als die Hälfte ganzseitig. Breite Rechteckrahmen mit ornamentierten Füllungen zwischen goldenen und silbernen Leisten fassen die biblischen Szenen wie Tafelbilder ein. Wertvolles Blattgold bildet die Hintergrundfolie für die großfigurigen Szenen, die in kräftigen, gebrochenen Deckfarben ausgeführt sind. Vereinzelte Architekturelemente und Landschaftsangaben dienen lediglich der Verortung des Geschehens. Würdevolle Figuren dominieren den symmetrischen Bildaufbau. Durch eine lebhafte Gebärdensprache und Blicke aus großen Augen treten sie zueinander in Beziehung und vermitteln so den Inhalt des Bildes und zugleich dessen emotionalen Ausdruck. In der Verbindung byzantinischer Stilprinzipien mit Bildthemen aus westlichen Vorlagen und der Praxis, den Körper der Figuren mit Hilfe von Farbschattierungen plastisch zu modellieren, erweist sich die nahe Verwandtschaft unserer Handschrift zu älteren Werken aus dem Skriptorium von St. Peter. Diese tritt in besonderer Weise auch im fantasievollen Initialschmuck zutage. Am Beginn jeder Perikope steht eine Initiale – als Einzelbuchstabe, vielfach auch als Teil einer Initialgruppe oder als Ligatur aus den beiden Anfangsbuchstaben der Einleitungsformel und des eigentlichen Perikopentextes ausgeführt. Die goldenen Buchstabenkörper werden von spiralartigen Ranken umspielt, deren Nebenschösslinge in bunten Knospen und Blüten enden. In zahllosen Variationen werden einzelne Buchstabenteile durch Lebewesen – großteils Tiere – ersetzt, was der Handschrift eine heitere Note verleiht.

DAS ORIGINAL

München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 15903 Entstehungszeit der Handschrift: um 1150, St. Peter in Salzburg; 106 Folios mit 55 Miniaturen (davon 33 ganzseitig), 6 Seiten mit einem Verzeichnis der 71 Perikopen, 1 Initialzierseite und 81 figürliche und Rankeninitialen. Der Buchschmuck ist in Deckfarbenmalerei und Silber auf Goldgrund ausgeführt. Schrift: große, kräftige Minuskel. Format: 220 x 310 mm. Bindung: Renaissanceeinband aus der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts mit Rollen- und Plattenstempeln, 2 Metallschließen.

DIE FAKSIMILE-AUSGABE

Das Faksimile des „Perikopenbuchs von St. Peter“ erscheint als Band CXXII innerhalb der Reihe „Codices selecti“ und gibt die Handschrift im Originalformat und bis ins kleinste Detail farbgetreu wieder. Einband: Kopie des aus dem 16. Jahrhundert stammenden heutigen Einbandes der Originalhandschrift: Lederdecke mit exakt vom Original abgenommener Prägung, Handheftung auf vier echte, erhabene Bünde, handumstochenes Kapital, Metallschließen. Der Kommentar zur Faksimile-Ausgabe wird von Martina Pippal, der zur Zeit profundesten Kennerin der romanischen Buchkunst in Österreich, verfasst. Darin widmet sich die Autorin, neben einer eingehenden kunsthistorischen Analyse, vor allem der Beziehung zwischen Text und Bild sowie dem historischen und geistesgeschichtlichen Umfeld, in dem die Handschrift entstanden ist.