Über 200 strahlende Goldbordüren sowie zahlreiche riesige goldene Schmuckinitialen mit den Naturfarben Grün, Braunrot und Purpur sowie unzählige Goldinitialen im gesamten liturgischen Text, auf 120 feinen Pergamentblättern, ist das glanzvolle Potential, mit dem der prachtvolle Psalter-Codex dem noch so anspruchsvollen Auge des Betrachters verwöhnend gegenübertritt. Eine ganzseitige Darstellung eines vor dem Kreuze Christi knienden Königssohns am Schluss des Werkes setzt der goldenen Pracht noch eine Krone auf.
Die herausragende Stellung innerhalb der karolingischen Buchkunst liegt in der Tatsache begründet, dass hier, im Psalter Ludwigs des Deutschen, die insulare Buchmalerei stark zutage tritt. Dies äußert sich in der Flechtband-Ornamentik und nicht zuletzt in den für den angelsächsischen Raum der damaligen Zeit typischen Schmuckelementen, wie z. B. verschlungenen Schlangen (mit Zähnen) und Vögeln. Es sind dies schreiende Vögel (mit aufgerissenem Schnabel) sowie pickende Vögel, zumeist paarweise, hier und da in einem Baum sitzend – beides Stilelemente der irisch-angelsächsischen vulgo insularen Buchmalerei. Außerdem tritt, neben der karolingischen Minuskel als durchgängiger Textschrift, zum jeweiligen Kapitelbeginn in goldener und zum Kapitelende in roter Majuskelschrift, auch die insular geprägte Unziale in Erscheinung. Entsprungen ist sowohl das Flechtband-Muster als auch der sogenannte keltische Knoten dem keltischen Kunsthandwerk der (Spät-)Antike. Der hier besondere Stil der karolingischen Buchmalerei wird „franko-sächsischer Stil“ genannt (gemeint ist hier natürlich „angelsächsischer“). Kennzeichnend hierfür ist eine vorwiegend ornamentale und nur wenig figürliche Darstellung im Buchschmuck. Unser vorliegender Psalter ist hierfür ein Paradebeispiel. Entwickelt wurde dieser Stil in einer karolingischen Malerschule im heutigen Nordfrankreich und grenzt sich typischerweise von der höfischen karolingischen Buchmalerei ab. Die alttestamentlichen Psalmentexte dienten der Schöpfung des Psalters als Textgrundlage. Diese aus der jüdischen Tradition stammenden biblischen Texte sind Klage-, Lob- und Dankgesänge des Volkes Israel an seinen Gott. Im Berliner Psalter Ludwigs des Deutschen sind diese biblischen Gesänge auf besonders schmuckvolle Art und Weise dem einflussreichen und langjährigen Ostfrankenkönig gewidmet. Interessanterweise ist in unserer Handschrift in den Bordüren- und Initialschmuck eine Widmung etwas späterer Hand eingebettet: „Hludovico regi vita salus felicitas perpes“, was in etwa so übersetzt werden kann: „Für König Ludwig: ewiges Leben, Heil und Glück“.
Um hinter das Geheimnis der Entstehung dieser so wichtigen und bedeutungsträchtigen karolingischen Prachthandschrift zu kommen, ist es vonnöten, sämtliche Anhaltspunkte in die Waagschale zu werfen. Letztlich sind die Ornamentmotive des Psalters sowohl auf irisch-angelsächsische als auch auf orientalische Vorbilder zurückzuführen. Als Entstehungsort der Handschrift kommt nur einer infrage: Abtei St. Bertin in Saint Omer in Nordfrankreich, unweit von Calais. Das lässt sich auch anhand der Anrufungen der Patrone dieses Klosters in der Litanei (118v) bestätigen. Über den Verbleib der Handschrift im Mittelalter ist nichts Konkretes bekannt. Wo sie sich im 16. Jh. befand, lässt sich an einem Eintrag auf 1v ablesen. Dem ist zu entnehmen, dass sie sich zu dieser Zeit im Besitz von Geistlichen in Vreden und Rellinghausen befand. Beide Orte gehören zur Diözese Münster. Insgesamt handelt es sich beim Berliner Psalter Ludwigs des Deutschen um ein in gutem Zustand auf uns gekommenes Werk, an welchem sich buchwissenschaftlich die mitunter fließenden Übergänge von der merowingischen Buchmalerei an der Schwelle der Spätantike zu frühem Mittelalter erkennen und ablesen lassen können. Insulare Elemente traten ab der Mitte des 7. Jahrhunderts in Erscheinung, da es nachgewiesenermaßen bis zum Ende des 9. Jahrhunderts zu immer engeren Kontakten und Beziehungen der klösterlichen Buchmaler und Schreiber des alten fränkischen, also vorkarolingischen Merowingerreiches (5. bis Mitte 8. Jh.) und den karolingischen Künstlern (Mitte 8. bis Ende 9. Jh.) mit den irisch-angelsächsischen Buchmalern und Schreibermönchen kam. Wie auch immer, als erwiesene Tatsache hat sich herausgestellt, dass der Psalter einem LUDOVICUS REX gewidmet wurde. Ein "König Ludwig" konnte (buch-)historisch und stilistisch nur als Karolinger im 9. Jahrhundert zu suchen und zu finden gewesen sein. Infrage kommen hier dann nur entweder Ludwig I. (der Fromme) oder Ludwig II. (der Deutsche). Welche Indizien schlussendlich für Letzteren sprechen und welche hochinteressanten Zusammenhänge die doppelte Widmung dieses goldglänzenden Psalters Ludwigs des Deutschen untermauern und wer als Auftraggeber der königlichen Handschrift infrage kommt, lässt sich ab sofort eifrig und mit Spannung in der separat zu erwerbenden Dokumentationsmappe mit drei erfreulichen original Faksimile-Blättern für eine geringe Aufwandspauschale nachlesen ...
Das Faksimile des Psalters Ludwigs des Deutschen erscheint in der Reihe CODICES SELECTI als Band CXXIV und gibt die karolingische Prachthandschrift vollständig im Originalformat von 29,4 x 24,6 cm auf 120 prächtigen Folios wieder. Hierbei wird streng größtmöglicher Wert auf exakte Übereinstimmung mit dem Original gelegt. Sowohl die über 200 farbenfroh schmückenden Goldbordüren als auch die unzähligen Goldinitialen erstrahlen in originalgetreuer Brillanz. Hinsichtlich der gedeckten Farben und der markant insularen Ornamentik korrespondieren die zahlreichen großen Schmuckinitialen mit den bereits erwähnten seitenrahmenden Goldbordüren.
Der wissenschaftliche Kommentar wird von Dr. Jürgen Geiß-Wunderlich bearbeitet. Hierin wird die herausragende karolingische Handschrift höchster Bedeutung von allen denkbaren Seiten her intensiv beleuchtet und vorgestellt, also (buch-)historisch und stilistisch spannend analysiert. Man darf gespannt sein und sich schon freuen.